12.09.2022
Theater-Gottesdienst in Naumburg
Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" trifft auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter
Theater und Kirchenraum kommen nicht sehr oft zusammen, obwohl sie viel gemeinsam haben, wie der Intendant des Naumburger Theaters während des Gottesdienstes am vergangenen Sonntag in der Stadtkirche St. Wenzel betonte. „Beide kümmern sich auf ihre Weise um die Seelen der Menschen“, so Stefan Neugebauer weiter. Er sei sehr dankbar für die gute und gelungene Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde.
Mit zwei Szenen aus der aktuellen Inszenierung von Kafkas „Die Verwandlung“ gab der Schauspieler Antonio Gerolamo Fancellu einen Einblick in die Veränderung des Handlungsreisenden Gregor Samsa vom glänzenden Verkäufer zum entmenschlichten Wesen.
Pfarrerin Christina Lang stellte Kafkas Erzählung dem biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter gegenüber. In beiden Erzählungen gehe es um den Umgang mit Menschen, die fremd sind oder zu etwas Fremden werden. Der eine wurde von Räubern überfallen und liegt verachtet im Straßengraben wie ein geschundenes Tier. Der andere wird von seinem Beruf, vom Erfolgsdruck, von den Anforderungen so schwer belastet, dass er ein hilfloses, animalisches Wesen entwickelt.
In der biblischen Erzählung kommt schließlich ein Fremder aus dem Land Samaria, der gegenüber dem Verletzten barmherzig ist und ihn rettet. Bei Kafka wird Gregor Samsa dagegen selbst von der eigenen Familie wie ein zu beseitigendes Ungeziefer betrachtet und bis zum Tod vernachlässigt.
So wie die Kirche der Inszenierung weiteren Raum für Deutungen bot, so bot auch die raumgreifende Darstellung der Erzählung neue Bezüge und Wahrnehmung im Kirchenraum. Wer sich selbst einen Eindruck von dieser außergewöhnlichen Melange machen will, hat zunächst noch bis zum 8. Oktober Gelegenheit dazu dann jedoch in der Marien-Magdalenen-Kirche in Naumburg.
Alle Termine unter: https://www.theater-naumburg.de/