04.05.2022
Mehr Orgel geht nicht
Eindrücke von der ersten Zeitzer Orgelwoche vom 25.04. - 01.05.2022.
Erstmalig fand in der letzten Aprilwoche eine Fülle von Veranstaltungen statt, deren Ziel es war, die Orgel in der Michaeliskirche Zeitz in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken und einmal mehr bewusst zu machen, welchen Schatz die Gemeinde besitzt.
Orgelführungen für Kinder
Die erste Zeitzer Orgelwoche begann mit täglichen Orgelführungen für Grundschüler*innen. Mehr als 300 Kindern erklärte Kirchenmusikerin Johanna Schulze den Aufbau, die Funktionsweise und das Spiel einer Orgel. Ihre Eindrücke hielt die kleinen Gäste am Schluss auf Zetteln in Form von Orgelpfeifen fest. Aus all den kleinen Papierpfeifen entstand im Laufe der Woche ein buntes Kunstwerk, an dem ablesbar wurde, wie beeindruckt die kleinen Besucher von dem großen Instrument waren.
Eine alte Dame gewährte besondere Einblicke
von Norman Neitz
Nachdem im Verlauf der Woche bereits hunderte Kinder die Chance genutzt hatten, die Orgel in der Michaeliskirche einmal aus nächster Nähe zu erleben, folgten am Freitagabend die Erwachsenen.
Nach kurzer Einführung am Modell und Erklärungen zum Funktionsprinzip einer Orgel, wollten die Gäste die besprochenen Pfeifen aller Art auch am Instrument selber betrachten. So wurde es schnell eng um die Kirchenmusikerin Johanna Schulze am Spieltisch der Orgel und sie durfte nun alle Register ziehen, um die Klangvielfalt des großen Instrumentes zu demonstrieren.
Auch einen Blick in die „Innereien“ der Orgel - wie den Blasebalg oder die Pfeifen hinter dem Prospekt – konnte man wagen. Natürlich wurden auch die vielfältigen Fragen der Zuhörer beantwortet und so wurde an diesem Abend über Trakturen, Mixturen, Windladen, Register, Pneumatik und vieles mehr angeregt diskutiert.
Orgelkonzert für Klein und Groß mit dem ersten Auftritt des Zeitzer Kinderchores
von Sibylle Staudte
Am Samstag, den 30.04.2022 fand in der Michaeliskirche in Zeitz ein Kinder-Orgelkonzert anlässlich der Zeitzer Orgelwoche statt.
Die Kinder des Kinderchors eröffneten das Konzert mit einem fröhlichen Lied über die Orgel. Nachdem sie die Orgel mit Kirchenmusikerin Johanna Schulze während der Chorproben kennen und hören gelernt haben, trällerten sie mit Mut und Freude das Lied über Töne und Aussehen der Orgel. Die Chorleiterin hatte nach den Februar-Ferien die Chorproben wieder aufgenommen und den Kindern das Lied in nur wenigen Wochen beigebracht.
Eltern, Großeltern und die Besucher des Konzerts hörten mit Freude die Kinder singen und belohnten sie mit einem Applaus für ihren ersten Auftritt vor einem Publikum.
Nach diesem Lied der Kleinsten begann das Orgelkonzert über „Die Kirschin Elfriede“. Rotraud Denecke erzählte die Geschichte der Kirsche, die nach Australien auswandern will und dabei u.a. eine Maus, eine Wolke und den Mond kennenlernt, in den sie sich sehr verliebt. Kirchenmusikerin Johanna Schulze begleitete an der Orgel die Figuren durch das bunte Abenteuer.
Symposium zur Restaurierung der Orgel in der Michaeliskirche
von Mathias Büttner
Für die Zeitzer Orgel stehen umfangreiche Restaurierungsarbeiten an, um diese wunderbare Instrument auch für die nächsten 100 Jahre in voller Klangschönheit zu präsentieren, was gegenwärtig schon gar nicht mehr möglich ist. Der Gemeindekirchenrat hat bereits im Vorjahr den Beschluss gefasst, diese Orgel umfänglich zu restaurieren und ihren Zustand durch drei Fachfirmen begutachten zu lassen.
Die Ergebnisse liegen mittlerweile vor und wurden in einem Symposium am vergangenen Sonnabend einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Eingeladen wurde dazu vom Gemeindekirchenrat Zeitz, der Kantorin Johanna Schulze und dem eigens für die Restaurierung gegründeten Förderverein unter der Leitung seines Vorsitzenden Harald Rosahl, die Firmen Woehl-Orgel-Projekte, Alexander Schuke Orgelbau GmbH und Jehmlich Orgelbau Dresden. Sämtliche drei Firmen waren durch ihre Geschäftsführer und teilweise weiterer Mitarbeiter vertreten. Um die folgende Diskussionen verstehen zu können, ist ein ganz kurzer historischer Rückblick notwendig.
1826 wurde durch die Zeitzer Orgelbaufirma Johann Michael Gottlob Böhme eine zweimanualige Orgel errichtet, deren Prospekt noch heute unverändert steht. Im Jahre 1911 wurde von Wilhelm Rühlmann unter Beibehaltung des historischen Prospekts eine dreimanualige Orgel erbaut, die dem romantischen Klangbild dieser Zeit verpflichtet war und dem technischen Möglichkeiten voll entsprach. Allein schon durch die Anzahl der Register, stellte die Zeitzer Rühlmann-Orgel eines der größten Instrumente aus dem Hause dieser Orgelbaufirma dar. Diese Orgel hätten wir auch heute noch; wenn nicht 1953-1955 eine Umdisposition durch die Firma Schuster und Sohn erfolgt wäre. Diese hat die ursprüngliche Disposition zerstört, die Hälfte der Rühlmannregister ausgebaut und einen Stilistischen "Zwitter" hinterlassen, mit dem wohl niemand ganz so glücklich ist. Im Laufe der Zeit hat sich der Zustand der Orgel weiter verschlechtert. Es sind nicht mehr alle Register spielfähig. Die Orgel leidet unter Verschmutzung und Holzwurmbefall.
Das Symposium sollte nun Wege aufzeigen, ein vollwertiges Instrument wiederbestehen zu lassen. Ca. 60 Besucher nutzten die Möglichkeit sich hier zu informieren. In ansprechender und interessanter Art und Weise äußerten sich die Fachleute zu den Perspektiven der Restaurierung. Einig waren sich alle darüber, dass die Firma Rühlmann vor über 100 Jahren ein großartiges Instrument geschaffen hatte.
In 10-minütigen Darstellungen präsentierten die anwesenden Orgelbaufirmen ihre Konzepte. Die Firma Schuke brachte neben den Erläuterungen zur Restaurierung der Rühlmannorgel auch die Variante des Baues einer Böhme-Orgel-Replik ins Spiel. Ihre umfangreichen Erfahrungen im restauratorischen Bereich gekoppelt mit digitalen Möglichkeiten wurden von der Firma Woehl dargelegt. Die Firma Jehmlich hatte sogar 4 Varianten im Angebot, gab jedoch der Restaurierung der Rühlmanndisposition den Vorzug. Umfangreiche Diskussionen gab es um den Spieltisch, dessen Stellung nicht original ist. Es wurde angeregt, hier auch die Möglichkeit einer künftigen elektronischen Steuerung des Orgelwerkes in Betracht zu ziehen.
Und wie geht es nun weiter?
Gemeindekirchenrat und Förderverein müssen sich in Bälde für eine Variante entscheiden, denn die Bauzeit beträgt fast 2 Jahre.
Und was die Kosten anbelangt, so kann hier jeder mithelfen – tatkräftig, mit einer Mitgliedschaft im Förderverein oder mit Ideen.
Wenn ein alter Film auf neue Melodien trifft ... - Ein Stummfilm-Orgel-Konzert
von Ute Adam
Am Samstagabend war in der Michaeliskirche vielfach herzhaftes Lachen zu hören. Der schwarz-weiss Film "Das Pfandhaus" von 1916 aus den Anfängen der Filmkunst lenkte durch Körpersprache und Situationskomik viel Aufmerksamkeit auf das Schauen.
Zusätzliche Aha-Effekte gab es auf die Ohren. Die Orgel intonierte so bekannte Melodien wie „Wer hat an der Uhr gedreht“ von Pink Panther, als Charlie Chaplin mal wieder zu spät zur Arbeit kam. Die Polizeipfeife trillerte von der Orgel ebenso wie der Song „Money, Money, Money“ von ABBA, als der reiche Gauner das Pfandhaus betrat. Soweit nur einige Beispiele, wie Kantorin Johanna Schulze sehr einfühlsam und immer in der Stimmung des Films die Bilder zum Sprechen brachte. Es hatte Witz und Esprit und hat uns alle beschwingt und fröhlich gemacht.
Eine großartige „Zugabe“ hörten wir noch vor dem Film: Die „Suite Gothique“ von Leon Boellmann, ein faszinierendes Werk, das unter die Haut geht. Mit leisen Tönen beginnend und einer Steigerung zu eindringlichen, rhythmisch drängenden und lauter und lauter werdenden, auch dissonanten Akkorden (wer denkt hier nicht an Krieg und Kriegsgeschrei in diesen Tagen), gab es am Ende doch noch einen beinahe tröstenden Schlussakkord.
Noch ganz beschwingt von gerade gehörten Melodien verließen wir am Samstagabend die Kirche – wir hatten nicht nur einen meisterhaften Stummfilm mit Charlie Chaplin gesehen, sondern auch eine Orgelvertonung (Live improvisiert) gehört, die uns mit ausreichend „Ohrwürmern“ für den Rest des Abends versorgte.
Kirchenmusikerin Johanna Schulze und die Orgel gaben alles. Mit herzlichem und anhaltendem Applaus dankten alle Besucher der Organistin.